Wie angehende Jungarchivarinnen bzw. -archivare haben die Schülerinnen und Schüler der Q2 des Geschichtskurs bilingual im Rahmen des Unterrichts zwei Ausgaben der »Kölnischen Volkszeitung« aus dem Jahr 1923 analysiert und historisch eingeordnet. Beide Ausgaben lagen den Schülerinnen und Schülern im Original vor und sind datiert vom 10. und 13. November 1923.
Nach einer formalen Analyse der Dokumente, wie sie auch in Archiven durchgeführt wird, haben die Kleingruppen zahlreiche Erkenntnisse aus den Zeitungen gewinnen können. Zum einen ist da die gefärbte Sprache der Berichterstattung, die stets Frankreich als Hauptfeind identifiziert: »Fünf Jahre lang, besonders aber seitdem Poincaré am Ruder Frankreichs steht, hat dieses Land alles getan, um eine Konsolidierung der deutschen Verhältnisse und der deutschen Demokratie zu verhindern« (Kölnische Volkszeitung, 10.11.1923). Mit den Erkenntnissen aus der vorangegangen Arbeit im Unterricht war es nicht schwer zu erklären, warum es zu einer solchen ablehnenden Haltung gegenüber dem westlichen Nachbarn gab.
Zum anderen werden die Gefahren für die Demokratie in Deutschland, einen Tag nach dem Hitler-Ludendorff-Putschversuch in München (09.11.2023), nicht erkannt: »Ist etwa Adolf Hitler der bramarbasierende Volksredner, der Mann von überragender geistiger und ethischer Größe? Nein, von Persönlichkeiten dieses geistigen Stils ist Deutschlands Heil nicht zu erwarten.« (ebd.) Allerdings haben die Schülerinnen und Schüler einen weiteren interessanten Befund: Die Ausgabe vom 13. November 1923, also nur drei Tage später, hält fest: »Hitler ist ein guter, volkstümlicher Redner.« (Kölnische Volkszeitung, 13.11.1923) Ausgehend von diesen und weiteren Gegensätzen in der Darstellung der vorangegangenen Ereignisse in den beiden Ausgaben haben die Schülerinnen und Schüler mögliche Erklärungsansätze formuliert und weitere Forschungsmöglichkeiten festgehalten.
Und warum auf Französisch?
Ein grundlegendes Ziel des bilingualen Geschichtsunterrichts ist die Darstellung von Ergebnissen und Befunden in der Fremdsprache, um später z.B. im internationalen Kontext an Forschungsvorhaben arbeiten zu können. Eine solche Erforschung dieser Zeit ist ein denkbares historisches Projekt, das ein Schüler formuliert hat: Wurde das Ereignis des Hitler-Ludendorff-Putschversuchs in Frankreich auch in den Zeitungen beachtet? Wurde Hitler ebenfalls in den Zeitungen in Frankreich bereits im Jahr 1923 thematisiert? Wird in französischen Tageszeitungen in ähnlicher Weise über Deutschland geschrieben?
Abschließend war der Preis der beiden Ausgaben auffällig: Kostete die »Kölnische Volkszeitung« am Samstag, 10. November 1923 noch 40 Milliarden, so lag der Preis am Dienstag, drei Tage später, schon bei 50 Milliarden Mark. Vor dem Hintergrund der Hyperinflation lässt sich diese Preissteigerung zwar erklären, aber kaum begreifen.
Abschließend wurde deutlich, dass nicht wenige der erarbeiteten Ergebnisse aus dieser Quellenarbeit zum Jahr 1923 noch heute, oder besser gesagt: heute wieder im Jahr 2023, genau hundert Jahre später, an Relevanz gewinnen…